Rede vor dem Stadtrat

Sehr geehrter Herr OB Martin Horn,
für Ihre Einladung bedanke ich mich recht herzlich, auch im Namen des amtierenden Ortschaftsrates von Tiengen. Allen Dezernenten und allen Stadträtinnen und Stadträten möchte ich danken, dass ich heute hier einige Worte sagen darf. Nicht der gesamte Ortschaftrat von Tiengen ist anwesend, manche haben einen unabkömmlichen Beruf.

Tiengen ist in diesem Jahr seit fünfzig Jahren ein Stadtteil von Freiburg. Persönlich bin ich seit damals und bis heute überzeugt, dass es richtig war mit JA für Freiburg zu stimmen. Nun, was in einer Demokratie üblich und glücklicherweise möglich ist: man muss damit umgehen können, andere Stimmen oder Stimmungen zu akzeptieren. Es gibt Stimmen, die glauben, dass unsere Eingemeindung eine Katastrophe war. Ich kann diese Meinung dulden und anhören, aber es bleibt bei meinem JA zu Freiburg.

Die Nein-Sager waren nicht an der Abstimmung vor fünfzig Jahren beteiligt. Sie sind zugezogen. Aber warum kommen solche Stimmen auf? Ich denke, das hat mehrere Gründe: Einige träumen, wie Sie wissen, vom dörflichen Charakter Tiengens. Andere wiederum wollen angesichts des geplanten Wohnungsbaus in Tiengen ihre schöne Aussicht nicht verlieren.

Aber darum geht es heute nicht. Heute, hier im Gemeinderat, geht es um Politik und die Umsetzung von Drucksachen durch Fachämter. Das ist das Thema, doch dazu später mehr. Wir alle, Gemeinderat, Dezernenten und Oberbürgermeister, sollten uns Sorgen darüber machen, wie sich die „Demokratie“ z. Zt. verändert.
Die Hälfte der Mitglieder dieses Parlaments hat noch keine fünfzig Jahre Lebenserfahrung hinter sich. Menschen wie sie erkennen und erleben solche Veränderungen anders als die Generation der 1960/1970iger Jahre. Hier denke ich an die Geschichte und die Entwicklung aller Ortschaften um Freiburg während der letzten fünfzig Jahre. (Ein Stadtrat bezeichnete diese Ortschaften einmal als die „Perlenkette“ um die Kernstadt; ich denke da eher an einen Rosenkranz.)

In jedem Einbürgerungsvertrag ist festgeschrieben, was den einzelnen Ortschaften seitens der Stadt zusteht. Frage: Gibt es heute, nach fünfzig Jahren, keinen Grund mehr, sich daran zu halten? Vielen der heutigen Räte kann man nicht einmal einen Vorwurf daraus machen, was in den letzten 50 Jahren gestrichen bzw. nicht realisiert wurde.

Wir am Tuniberg beobachten jedoch eine neue Entwicklung…

Wenn die Ortschaftsräte*Innen der Tuniberg-Gemeinden, wie in dieser Legislaturperiode mehrmals geschehen, zwar die geforderten Anhörungen zu bestimmten Drucksachen durchführen, der Beschluss jedoch bei Ihnen hier im Rat keine Beachtung findet, darf man sich nicht wundern, dass die Wahlbeteiligung bei den Kommunal-Wahlen schrumpft. Ein solches Verhalten lässt manche aufschrecken. Wollen Sie etwa diese Gremien samt den Ortsvorstehern, O-Rat und die Ortsverwaltung aus Kostengründen austrocknen?  Kein Wunder, dass die Bürger auf der anderen Seite denken: „Die machen doch eh was sie wollen“…

Ökonomisch könnte ich das sogar verstehen. Nichts wie weg mit der Kostenstelle Ortsvorsteher und Ortschaftsrat. Aber vertraglich, nach der Gemeinde-Ordnung und auch basispolitisch wäre das sehr schwierig. Sie alle verkünden Bürgernähe: So geht es also nicht. Und der Bürger-Service läuft in allen Ortschaften sehr gut.

Die Fluktuation ist deutlich geringer als im RiS. (Rathaus im Stühlinger) Eine weitere Folge könnte sein, dass sich niemand mehr dafür interessiert, sich in den Niederungen der untersten Basis, dem Fundament des Parlamentarismus, aktiv und lösungsorientiert in einem Ortschaftsrat zu engagieren.

Das fünfzigste Jubiläum hat in anderen Ortschaften bereits stattgefunden. Ich habe mir die Festreden meiner Kolleginnen aus Opfingen und Waltershofen angehört und werde nicht so auf die Details der Ortschafts-Wünsche, besser gesagt auf die vertrösteten Baustellen, eingehen. Ich verfüge auch nicht, wie die Kolleginnen, über einen lokalen Dorfpatriotismus. Ich bin da etwas reservierter. Früher war ich Gastarbeiter, aber Tiengen ist mein Geburtsort und es ist schön, wieder hier in Freiburg zu Hause zu sein. Dennoch… Diesem Gemeinderat ist bekannt, was in
TIENGEN seit Jahren ansteht: Kleines Gewerbe-Gebiet für Handwerksbetriebe.

Seit 2010 anstehende Erweiterung des EDEKA. Die Fertigstellung der Baugebiete. Ein im Einbürgerungsvertrag festgeschriebenes Gymnasium.

Hier könnte der Gemeinderat etwas aktiver werden, beispielsweise durch Nachfragen bei den Fachämtern: „Wie weit ist man denn?“ Oder ist Ihnen bekannt, dass ein Gutachten vom Stadtplanungsamt gab, dieses Gutachten jedoch laut Umweltamt nur für den Papierkorb geeignet ist? Ein neues Gutachten wird gefordert, und das verzögert den Baubeginn Hinter den Gärten wieder um Monate.

Abgesehen von den Kosten und der Verantwortung. Die guten Absichten und das Neujahrversprechen des Leiters von Dezernat V verlieren somit bei den Bürgern an Vertrauen, weil die einzelnen Fachämter sich gegenseitig blockieren oder in Kompetenz-Rangeleien verharren.

Hoffen wir, dass diese Baustellen mit dem Rahmenplan Tuniberg und dem Flächennutzungsplan 2040 zu einem Abschluss kommen. Wir am Tuniberg, von Munzingen bis Waltershofen, werden sehr genau hinhören, mit welchen Versprechen uns die einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten im kommenden Jahr aufwarten. 2024 werden wir unsere Stimmen nicht nach Versprechungen verteilen, sondern wir bewerten die Taten der laufenden Legislatur und der einzelnen Unterstützer aus diesem Rat.

Treffen Sie deshalb die richtigen haushaltspolitischen Entscheidungen für die 2 T`s: Tuniberg & Tiengen!

Meine Damen und Herren, für Ihre Geduld, Ihr Verständnis und die kostbare Zeit für Freiburg-Tiengen meinen herzlichsten Dank.

Maximilian Schächtele
OVS Tiengen 31.Jan. 2023